Mit dieser Seite präsentiert das Team des Verbundprojekts „Net Olam. Jüdische Friedhöfe im Fokus von Antisemitismus und Prävention“ die von ihm erarbeitete Dokumentation von Angriffen auf jüdische Friedhöfe in Deutschland seit der Shoah. Ziel ist es, ein größeres Bewusstsein für diese Ausdrucksform des Antisemitismus und die bis heute fortbestehende Gefährdung der Orte zu schaffen.
Die zusammengestellte Dokumentation zu den Schändungen beruht auf unterschiedlichen Quellen mit teils unvollständigen oder ungesicherten Angaben. Recherchiert haben wir in der Literatur und in vielen Archiven, zudem haben wir Daten von den jüdischen Landesverbänden und Landeskriminalämtern erhalten. Obgleich wir so den bislang mit Abstand umfassendsten Datensatz zu Schändungen jüdischer Friedhöfe in Deutschland seit 1945 vorlegen können, war eine lückenlose Dokumentation ausnahmslos aller Schändungen nicht zu leisten. Das liegt zum einen daran, dass aufgrund befürchteter Unruhe oder Nachfolgetaten nicht alle Friedhofsschändungen angezeigt, also auch nicht aktenkundig wurden, manche möglicherweise gar nicht als solche erkannt, sondern etwa der Witterung zugeschrieben wurden. Zum anderen lassen sich einige Schändungen nur durch zeitaufwendige Auswertungen umfangreicher Archivbestände in Erfahrung bringen, die im Rahmen des Projekts nicht für das gesamte Bundesgebiet gleichermaßen intensiv zu realisieren war. Schwerpunkte bei den Erhebungen lagen auf den Bundesländern Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.
Filtern können Sie sowohl in der Karten- als auch in der Katalogansicht.
- Schändungen in einem bestimmten Zeitraum können mit dem Zeitraumregler gefiltert werden (z. B. 1945–1950). Bei einem Wechsel zur Kalenderansicht können Schändungen zudem präzise nach einem bestimmten Datum gefiltert werden.
- Über die Schändungsklassifikationen können konkrete Arten von Schändungen gefiltert werden (z. B. Beschmierung, Zerstörung von Grabsteinen, Zerstörung von Gebäuden, siehe FAQ: Was ist eine Schändung?). Außerdem kann nach ideologischen Motiven gefiltert werden, die den Taten zu Grunde liegen können.
- Gefiltert werden kann auch räumlich nach dem Bundesland.
- Grundsätzlich können Sie über die Suchleiste auch nach einzelnen Orten suchen und sich die jeweilige Schändungshistorie des Friedhofs anzeigen lassen.
Bitte beachten Sie: Sobald ein Filter aktiviert ist, werden nur noch Friedhöfe angezeigt, für die eine Schändung dokumentiert ist. Alle Friedhöfe – auch jene ohne Schändungen – werden gezeigt, wenn alle Filter entfernt werden.
Korrekturen oder Ergänzungen können Sie uns über unsere E-Mail-Adresse net-olam[at]steinheim-institut.org zukommen lassen. Bitte fügen Sie nach Möglichkeit entsprechende Belege direkt bei, damit wir die Angaben verifizieren können.
Die Webseite verzeichnet alle uns bekannten Friedhöfe, die von einer jüdischen Gemeinde oder Familien angelegt wurden – unabhängig davon, ob sie geschändet wurden oder nicht. Sie finden hier sichtbare und unsichtbare (überbaute) Friedhöfe, private Begräbnisplätze mit vielleicht nur einem Grab und Verbandsfriedhöfe mit bis zu 20.000 Bestattungen. Nicht enthalten sind dagegen Bestattungen jüdischer Opfer der Shoah auf KZ-Friedhöfen, in Einzelgräbern entlang der Routen der Todesmärsche und an anderen Orten.
Einige Friedhöfe, z. B. im Mittelalter oder der Frühen Neuzeit bereits eingeebnete Flächen, können heute nicht mehr lokalisiert werden.
In der Literatur finden sich häufig widersprüchliche Daten zur Anlage der Friedhöfe, teilweise ist das genaue Jahr unbekannt oder das Datum des ältesten erhaltenen Grabsteins wird als Gründungsjahr angenommen. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, lediglich das jeweilige Jahrhundert anzugeben, in dem der Friedhof sehr wahrscheinlich angelegt wurde.
Weitere Informationen zur Geschichte und zum Grabsteinbestand der jüdischen Friedhöfe finden Sie in der epigraphischen Datenbank epidat des Salomon Ludwig Steinheim-Instituts oder über Alemannia Judaica.
Als Schändung oder Angriff definieren wir alle vorsätzlichen Eingriffe durch Menschenhand, die die Substanz des Friedhofes beschädigen oder eine solche Beschädigung zumindest billigend in Kauf nehmen, unabhängig vom zugrundeliegenden Motiv. Nähere Informationen zur Definition einer Schändung finden sie hier.
Neben umgeworfenen oder zertrümmerten Grabsteinen (Schändungskategorie 1) und Beschmierungen von Grabsteinen mit Farbe oder anderen Stoffen (Kategorie 2) haben wir für die gezielte Recherche einige weitere Kategorien erstellt:
- Graböffnungen (Kategorie 3) bezeichnen Fälle, in denen Gräber unrechtmäßig geöffnet oder Überreste ausgegraben wurden. In Deutschland sind derartige Schändungen nur selten dokumentiert. Auch Friedhofsgebäude (wie Trauerhallen, Taharahäuser, Wohngebäude für Aufseher) oder Umfassungsmauern bzw. -zäune und Tore können Ziel von Angriffen werden. Sie werden beschmiert, in Brand gesetzt oder auf andere Weise zerstört (Kategorie 4).
- Diebstahl (Kategorie 5) auf jüdischen Friedhöfen kam häufig vor. Grabsteine wurden durch Kommunen oder Privatpersonen entwendet und als Baumaterial genutzt. Einzelne Objekte (Zaun, Metall, Grabschmuck) können ebenfalls entwendet werden.
- Ebenso kam es oft zur missbräuchlichen Nutzung des Friedhofs oder einzelner Elemente (Kategorie 6): Grabsteine wurden entwendet und für Haus- oder Straßenbau benutzt. Auch wurden Friedhöfe z. B. als Gartenland genutzt oder Flächen von Kommunen für den Straßenbau, andere Bauvorhaben oder die Anlage von Grünanlagen eingezogen. Zur missbräuchlichen Nutzung gehört auch die Bestattung von Nichtjuden auf jüdischen Friedhöfen, sofern dies nicht durch die jüdische Gemeinde erfolgte.
Nicht als Schändung erfasst wurden z. B. durch Naturereignisse (Sturm, Hochwasser etc.) oder aufgrund mangelnder Verankerung im Boden umgefallene Grabsteine sowie die natürliche Verwitterung der Oberflächen der Steine.
Wenn Sie bei einem Friedhof keinen Eintrag finden, dann bedeutet das nicht, dass der Friedhof seit 1945 tatsächlich nicht geschändet wurde. Möglicherweise ist die Tat nicht öffentlich gemacht worden. Manche Taten wurden eventuell nicht als Schändung erkannt – ob der Sturm oder ein Mensch den Grabstein zu Fall brachte, ist manchmal nur schwer feststellbar (siehe FAQ: Was ist die Datengrundlage der Schändungsdokumentation?).
Des Weiteren sind ausschließlich Fälle von Friedhofsschändungen erfasst, die eindeutig einem konkreten jüdischen Friedhof zugeordnet werden konnten. In vielen weiteren Fällen ist lediglich überliefert, dass ein jüdischer Friedhof in der Stadt oder Region geschändet wurde – ohne genaue Lokalisierung. In Kürze veröffentlichen wir den vollständigen Datensatz einschließlich dieser nicht eindeutig lokalisierbaren Fälle in einem Forschungsdaten-Repositorium.
Das angegebene Datum bezeichnet nicht immer den exakten Tag der Schändung. Der genaue Zeitpunkt der Tat ist häufig nicht eindeutig feststellbar, v.a. nicht bei abseits gelegenen Friedhöfen. Mitunter kann nur ein Zeitraum angegeben werden, in dem sich die Schändung ereignet hat. In vielen Fällen bezieht sich das angegebene Datum auf die Entdeckung der Schändung.
Nur ein kleiner Prozentsatz der Täter wird gefasst, die Hintergründe der Taten bleiben daher oft im Dunkeln und können nur vermutet werden.
Die Kategorien „rechtsextrem“ und „linksextrem“ und orientieren sich an etablierten Begrifflichkeiten der Antisemitismusforschung und dienen der Einordnung unterschiedlicher Formen und Hintergründe antisemitischer Taten. Dabei umfasst „rechtsextrem“ Fälle, die im Zusammenhang mit einer extrem rechten Weltanschauung stehen, „linksextrem“ mit einer extrem linken Weltanschauung. Manchmal hinterlassen Täter „Botschaften“, oft in Form von Texten oder Symbolen, die eindeutig dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sind. Auch von den ermittelten oder gefassten Tätern sind einige diesem Täterkreis zuzuordnen. Sehr viel seltener können demgegenüber linksextreme Hintergründe nachgewiesen werden. In den meisten Fällen kann eine Ideologie nicht mit Sicherheit zugeordnet werden.
Ein Großteil der Schändungen dürfte auf einen antisemitischen Hintergrund zurückzuführen sein. Daneben gibt es allerdings auch Fälle, die auf nicht zielgerichtete Zerstörungswut zurückgehen – beispielsweise, wenn nicht nur der jüdische, sondern zugleich auch der angrenzende christliche bzw. kommunale Friedhof geschändet wurde. Und nicht zuletzt resultiert eine große Zahl von Angriffen auf die Unversehrtheit jüdischer Friedhöfe aus Unkenntnis, Gedankenlosigkeit oder auch Ignoranz. Infolge einer besseren Aufklärung und intensiveren Zusammenarbeit zwischen Kommunen und jüdischen Gemeinden bzw. Landesverbänden sind solche Fälle heute glücklicherweise rückläufig.
Dann treten Sie unserem Kompetenznetzwerk NET OLAM bei! Das Netzwerk steht allen offen, die sich für jüdische Friedhöfe interessieren – ohne Risiko und Kosten, aber mit viel Potenzial! Mitglied sind bereits zahlreiche jüdische Landesverbände und Gemeinden, viele ehrenamtlich Engagierte sowie Vertreter:innen aus Kommunal- und Landesverwaltungen, Denkmalpflege, Wissenschaft, Kultur und Politik. Auch Fördervereine, zivilgesellschaftliche Initiativen, Schulen und Kirchengemeinden sind Teil unseres Netzwerks. Das Netzwerk setzt sich dafür ein, die jüdischen Friedhöfe in Deutschland dauerhaft zu erhalten, sie sichtbarer zu machen und ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, besser vor Angriffen zu schützen und stärker in die Vermittlungsarbeit einzubeziehen. Dafür vernetzen sich unsere Mitglieder, bündeln ihre unterschiedlichen Kompetenzen und unterstützen sich gegenseitig. Über unsere Mailingliste beziehen die Mitglieder zudem einen Newsletter. Vierteljährlich finden Online-Treffen mit Input durch Expert:innen und anschließendem Austausch statt, ein Mal pro Jahr eine Präsenztagung.
Eine Anmeldung kann über den blauen Button unten rechts oder durch eine E-Mail an net-olam[at]steinheim-institut.org erfolgen. Wir freuen uns über neue Mitglieder!